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Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest

Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest

Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn: sie berichten mir vermehrt von ihrer Unsicherheit, ihrer Verwunderung über das Verhalten anderer Menschen, von zunehmender Aggressivität, Ich-Bezogenheit, Protektionismus, Unverlässlichkeit, Einsamkeit, wachsendem Desinteresse und Nur-noch-Funktionieren, von abnehmender Hilfsbereitschaft, Menschlichkeit und Toleranz.

Was passiert mit uns Menschen, mit uns als Individuum und als Gesellschaft? Wohin entwickeln wir uns? Entwickeln wir uns gerade weiter – in einem positiven Sinn – oder wieder zurück? An welchen Werten sollen wir uns orientieren, wenn wir das Gefühl haben, dass diejenigen, nach denen wir erzogen worden sind, überholt zu sein scheinen? Zählen nun die inneren Werte eines Menschen oder sollen wir kurzerhand einfach dem Jugendlichkeits- und Schönheitskult folgen?

Werte wandeln sich ständig

Philosophen wie Aristoteles oder Platon sprechen von Werten im Sinne von erstrebenswerten oder moralisch gut betrachteten Charaktereigenschaften, von Qualitäten und Idealen eines Menschen, einer Gruppe oder Gesellschaft. Von Werten und Tugenden, die von den Menschen gefühlsmässig als übergeordnet anerkannt werden.

Diese Werte unterliegen jedoch einem ständigen Wandel und Verfall in unserem Prozess der Zivilisation. Sie sind nur dauerhaft, solang sie der Selbst- und Existenzerhaltung dienen, das Wohlergehen fördern und menschliches Leid verhindern.

Wir verändern unser Denken, unsere Verhaltensmuster, unsere Lebensstile. Wikipedia zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht, als ich von Rittertugenden las (heitere Gelassenheit und Frauendienst), von preussischen, bürgerlichen und Frauentugenden (Häuslichkeit, Sparsamkeit, Keuschheit).

Ich las aber auch von Tugenden wie Mässigung, Treue, Weisheit, Gerechtigkeit, Friedfertigkeit, Güte, Liebe oder über Fleiss, Hingabe, Dankbarkeit, Vertrauen, Aufrichtigkeit oder Kameradschaft.

Für Kino und Fernsehen werden in den letzten Jahren verstärkt Geschichten verfilmt von Helden, jugendlichen und erwachsenen, von männlichen und zunehmend weiblichen Figuren (z.B. aus Marvel-Comics, Science-Fiction, Fantasy, Kriegen oder von Polizeibeamten und -innen und Feuerwehrmännern oder -frauen), von Querdenkern, Kämpfernaturen und Menschen, die ihren Prinzipien und Werten treu bleiben. Wird hier eine Sehnsucht der Menschen angesprochen, eine Sehnsucht nach mehr Integrität, Gerechtigkeit, Treue, Ehrlichkeit, Vertrauen, Würde und Menschlichkeit?

Steigender Wohlstand und wachsende Unsicherheiten – ein Oxymoron?

In den letzten Jahrzehnten ist der Wohlstand in der Welt gestiegen, uns geht es so gut wie noch nie zuvor in unserer Geschichte. Die Armut nimmt weltweit ab. Technische Entwicklungen ermöglichen uns Fortschritte in der Medizin, Wirtschaft, im Umgang mit unserer Umwelt und im täglichen Leben. In West- und Mitteleuropa erleben bereits zwei Generationen Zeiten des Friedens. Das Bildungsniveau von Männern und Frauen weltumspannend steigt ständig an. Unsere geografische Mobilität wächst. Geschehnisse privater, öffentlicher, politischer, wirtschaftlicher Natur aus aller Welt sind uns durch die Massenkommunikation sofort zugänglich.

Sind wir wirklich auf dem Zenit angekommen? Sind die Werte, mit denen wir erzogen wurden, nun marode? Haben sie ihren Zweck zur Sicherung der Existenz, zur Förderung von Wohlergehen und zur Verhinderung von menschlichem Leid bereits erfüllt und bedürfen nun einer Neudefinition oder Veränderung?

Oder sind wir Menschen lediglich von der Geschwindigkeit der Veränderungen überfordert und benötigen Zeit, uns mit dieser zu arrangieren, uns an die Neuerungen zu gewöhnen und Mittel und Wege zu finden, mit ihnen zu leben? Manch eine(r) fühlt sich vielleicht sogar fremdbestimmt von dieser Geschwindigkeit oder den Veränderungen selbst , von einer immer komplexer werdenden Welt um uns herum.

Möglicherweise verändert sich aber auch unsere Sicht auf die Werte im Laufe des Älter-Werdens, sie rücken dadurch vielleicht stärker in unseren Fokus und erhalten mehr Gewicht.

Philosophische Betrachtung unserer Zeit

In seinem Roman “Salomos siebter Schleier” schreibt Tom Robbins: “Die wirklichen Probleme waren philosophischer Art, und bis die philosophischen Probleme gelöst waren, müssten die politischen immer und immer wieder durchgekaut werden. Der Ausdruck “Teufelskreis” wurde extra erfunden, um die Wirkungslosigkeit nahezu jeder politischen Aktivität zu beschreiben. Für die Ethiker war politisches Engagement verführerisch, weil es vermeintlich die Möglichkeit bot, die Gesellschaft zu verändern und Lebensumstände zu verbessern, ohne dass man sich der grossen Mühe unterziehen musste, seine eigene Wahrnehmung zu korrigieren und sein Bewusstsein dementsprechend zu verändern. Für die Gewissenlosen war politischer Reaktivismus verführerisch, weil er ihr Eigentum zu schützen und ihre Gier zu legitimieren schien. Doch beide Seiten starrten durch einen Schleier von Illusionen.”

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Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?

Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?

Was muss ich tun, wenn die Russen kommen? Diese Frage stellte mir meine Grossmutter als eine Art Initiationsritus, wenn ich zu ihr in die Sommerferien ging. “Du musst sofort in den Keller rennen und dich hinter dem Kohlenhaufen verstecken.” Die Angst vor einem wiederholten Einmarsch der Russen war bei ihr noch immer stark verankert. Sie erlebte den 2. Weltkrieg als junge Frau mit all seinen Schrecken. Als sie mich einmal während meines Studiums in St. Gallen besuchte, brachte sie mir Brot, Butter und Wurst mit – als ob es diese Nahrungsmittel in der Schweiz nicht im Überfluss gäbe. Dies sind nur zwei von vielen Beispielen, die aufzeigen, wie die Auswirkungen und Erlebnisse des Krieges noch zwei Generationen später das Leben beeinflussen.

Nun wird von einem drohenden Krieg in Europa gesprochen, vom möglichen Zerfall der Europäischen Union. Rechtspopulistische Parteien verzeichnen einen enormen Zulauf und die Entwicklung zurück zu Nationalstaaten auf Europäischem Boden wird propagiert. Ich frage mich, ob wir denn nichts aus der Geschichte gelernt haben.

Natürlich versucht der deutsche Aussenminister Steinmeier – gerade als Deutscher und teils sehr emotional – die Wichtigkeit einer diplomatischen Lösung in der Ukraine darzulegen. Die heutige Welt und die Verflechtungen politischer und wirtschaftlicher Natur unter den verschiedenen Ländern sind sehr komplex geworden. Den Konflikt in der Ukraine mit internationalen militärischen Mitteln aufzulösen zu versuchen, könnte unvorhersehbare Folgen nach sich ziehen.

Begehren von Grossbritannien und anderen Ländern, aus der EU auszutreten, interpretiere ich als fehlende Kooperationsbereitschaft, einen Beitrag zu leisten, diese Institution weiterzuentwickeln und zu reformieren, so dass sie wieder mehr ihrem ursprünglichen Zweck dient. Meines Erachtens geht es doch darum, als einzelner Mitgliedstaat Verantwortung zu übernehmen für das gemeinsame Ziel der Europäischen Union.

Argumente für die Europäische Union

Die Vorläufer der Europäischen Union wie die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (1952) oder die Europäische Gemeinschaft (1967) sahen ihren Zweck darin, durch wirtschaftliche Verflechtungen zukünftige kriegerische Konflikte zu vermeiden und durch die Schaffung eines grösseren Marktes das Wirtschaftswachstum in Europa nach dem Krieg anzutreiben.

Auf europäischem Boden fand seit 1945 unter den Mitgliedern der Europäischen Union wie auch unter jenen des Europäischen Wirtschaftsraums kein Krieg mehr statt. Die EU erhielt 2012 den Friedensnobelpreis “für über sechs Jahrzehnte Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa”.

Die heutige Europäische Union mit ihren 28 Mitgliedstaaten schaffte den grössten gemeinsamen Markt der Welt. Dem Binnenmarkt traten durch den Europäischen Wirtschaftsraum auch einzelne Mitgliedstaaten der EFTA, die Schweiz durch bilaterale Verträge und die Türkei bei.

Dieser Europäische Markt bildet ein Gegengewicht zu wirtschaftsstarken Staaten wie den USA, China, den anderen aufstrebenden Ländern der BRICS-Gruppe oder zu prosperierenden Staaten wie Indonesien oder Vietnam.

Trotz der internationalen Finanzkrise führte die EU 2011 sowohl mit 16.4% der weltweiten Importe als auch mit 15.4% der weltweiten Exporte jeweils die Spitzenposition an.

“Aber”: die Europäische Union bedarf Reformen

Fakt ist, die EU ist eine Erfolgsgeschichte. Die vier Grundfreiheiten freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr sind heute selbstverständlich. Seit ihrer Gründung hat sich der Handel unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verdreifacht, es wurden gemeinsame Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur getätigt.

Mit diesen Erfolgen ging aber auch ein Wachstum der Bürokratie, der Grösse der Organe, der Regeln und Normen und der Partialinteressen der einzelnen Mitgliedstaaten und Konzern-Lobbyisten einher. Dies führte nicht nur zu einer Schwerfälligkeit und einer Langsamkeit im Handeln. Sondern vor allem auch zu einer stetig steigenden Aushebelung der Grundprinzipien der Demokratie.

Die Konzern-Lobbyisten können ihre Interessen immer mehr durchsetzen. Und diese Interessen stehen in der Mehrzahl der Fälle im vollständigen Gegensatz  zu jenen der Bürger der jeweiligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die lang erkämpften Gesetze zum Schutz der Konsumenten und Umwelt werden Schritt für Schritt weiter ausgehölt.

Dies zeigt sich gerade jüngst in den geheim gehaltenen Verhandlungen zwischen der Kommission der EU und den USA zum Transatlantischen Freihandelsabkommen oder Transatlantic Trade and Investment Partnership TTIP. Das Europäische Parlament, zivilgesellschaftliche Gruppen oder Umweltschutzorganisationen erhalten keinerlei Details zu den Inhalten der Verhandlungen, auch wenn deren Ergebnisse im Anschluss für die über 500 Mio. Einwohner der EU geltend sein werden. Die Grundrechte der Demokratie werden hier vollständig missachtet. Und es stellt sich auch die Frage, warum ein solches Abkommen überhaupt verhandelt wird, wo doch die USA und die Mitgliedländer der Europäischen Union wirtschaftlich bereits stark miteinander verbunden sind.

Der Central European Observatory Organisation in Brüssel anonym zugestellte Protokolle und Verhandlungsinhalte zeigen auf, dass die Interessen von Konzernen in den USA darin liegen, in der EU bereits etablierte Standards zur Lebensmittelsicherheit und Umwelt zu unterwandern. Sollten dann einzelne Länder der EU später Gesetzesänderungen zu diesen Standards vornehmen wollen, können diese Konzerne das jeweilige Land vor internationalen Schiedsgerichten verklagen, um ihre Investitionen und erwarteten Gewinne zu schützen. Vor Gerichten ohne demokratische Regeln, die nicht von Staaten organisiert, sondern privat gestellt werden. Die Sendung  “Gefährliche Geheimnisse – Wie USA und EU den Freihandel planen” von 3sat dokumentiert die aktuellen Geschehnisse.

Es geht nun vor allem darum, die Grundprinzipien der Demokratie zu verteidigen und wiederherzustellen, sich auf den ursprünglichen Zweck der EU zu konzentrieren, den Interessen der Bürger der EU-Länder gerecht zu werden und die Institutionen, Prozesse und Regulatorien wieder schlanker zu gestalten, um eine stärkere Handlungsfähigkeit und weitere Wettbewerbsvorteile zu erreichen.

“Der Kontinent rutscht nach rechts”

So bezeichnet Zeit Online am 26.05.2014 das Resultat der Europawahlen.

Front National, die Dänische Volkspartei sowie die britische Unabhängigkeitspartei werden die landesweit stärkste Partei. Die Rechtsaussenpartei FPÖ, Jobbik in Ungarn, Goldene Morgenröte in Griechenland, Schwedenpartei und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands verzeichnen einen starken Zuwachs.

Warum haben diese Parteien einen solchen Zulauf erhalten? Welche Unzufriedenheiten, welche Unsicherheiten und nationalen Missstände verbergen sich dahinter? Ist die Europäische Union als Alleinschuldige nicht ein praktisches Argument, um von sich selbst und den eigenen, nationalen Fehlentscheiden abzulenken? Sollten die einzelnen Mitgliedstaaten nicht die Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen und aktiv an nationalen Lösungen arbeiten, anstatt Zeit, Energie und finanzielle Mittel zu verschwenden im “Glaubenskrieg” gegen die EU?

“Die Macht ist mit uns” – wie Yoda sagen würde

Unterschwellige Angst vor einem drohenden Krieg in Europa, der mögliche Zerfall einer verbindenden Institution wie der EU, das Erstarken rechtsgerichteter Parteien, das Propagieren von Nationalstaaten, Ressentiments gegen wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland – Tendenzen wie jene vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs.

Ist uns nicht bewusst, dass es uns heute weltweit so gut geht wie noch nie? Hans Rosling, Mediziner und Professor für Internationale Gesundheit in Stockholm, jedoch eher bekannt als Entwickler von Gapminder, einer faktenbasierten Sicht auf die Welt, zeigt es uns bereits seit einiger Zeit auf.

Nichtsdestotrotz gibt es noch viel zu tun. Sich in die Opferrolle zu manövrieren, passiv zu bleiben und anderen die Schuld geben, ist zu einfach und keine Lösung. Jeder Mensch, jede Gruppierung, die Gesellschaft kann aktiv gestalten, verändern, reformieren, Chancen und Potentiale nutzen – im Sinne einer positiven Weiterentwicklung.

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Positive Vibrations

Positive Vibrations

Ich habe als Managerin in verschiedenen Unternehmen und unterschiedlichen Branchen gearbeitet und dabei natürlich eine Bandbreite erlebt von Micromanagement bis hin zu einem Gleichgewicht zwischen übertragener Verantwortung und entsprechend notwendigen Kompetenzen. Leider musste ich feststellen, dass ein negatives Menschenbild gegenüber den eigenen Mitarbeitern und damit verbundene fehlgeleitete Anreizsysteme noch immer Alltag in den heutigen Unternehmen sind. Diese Tatsache verwundert mich sehr, da wir es doch besser wissen sollten.

Die moderne Technologie macht es möglich

Wir können heute sehr detailliert alles zählen. Dieses Zählen verleitet viele Unternehmen und Organisation dazu, Leistungen immer mehr an detaillierte Zahlen zu knüpfen. Ganz einfach, weil diese messbar sind. Diese Tendenz treibt in Einzelfällen seltsame Blüten und führt beispielsweise dazu, dass Führungspersonal – insbesondere das mittlere Management – zunehmend mit Reportingaufgaben beschäftigt ist. Das Verständnis über die Aufgaben eines Managers scheint sich zu verschieben.

Driving by Numbers

Wo liegt das Problem? Die Glaubenssätze des Taylorismus von 1909 werden in einer Grosszahl der Unternehmen noch immer gelebt. Sie drücken sich beispielsweise aus in ausgeprägten Hierarchiestufen und Bürokratie, einer Sicherstellung von Ordnung durch Prozesse und Weisungen.

Unsicherheiten durch die Finanzkrise und die komplexer gewordenen Herausforderungen aufgrund der Globalisierung haben diesen Effekt noch verstärkt: weitere Weisungen und Prozesse werden erstellt im Glauben, damit die Unsicherheiten kompensieren und sich den Herausforderungen stellen zu können. Das Festhalten an klar definierten Kompetenzen auf den verschiedenen Hierarchiestufen soll den Eindruck erwecken, die Kontrolle zu behalten.

Ein Widerspruch in sich

Aber Kreativität, innovative Lösungen, schlanke Organisationen und Mut, neue Wege zu gehen sind notwendig, um diese komplexen Herausforderungen anzugehen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen und die Produkte oder Dienstleistungen weiterzuentwickeln.

Zusätzliche Prozesse und Regeln wie auch der Fokus auf das Maximieren von Gewinnen erreichen jedoch das Gegenteil und schränken den Raum für Innovation und Kreativität noch weiter ein.

Was sollten die Unternehmen ändern?

Der Harvard Business Review Blogger Srikanth Srinivas erklärt, dass sich Unternehmen auf ihren ursprünglichen Zweck zurückbesinnen sollten. Er macht hierzu ein sehr schönes Beispiel.

Bei dem Besuch eines seiner Kunden in einer asiatischen Stadt möchte er für die Anreise am Morgen eine lokale Buslinie benutzen. Ein Bus nach dem anderen fährt an ihm vorbei ohne anzuhalten, obwohl noch freie Plätze im Bus vorhanden sind. Als er sich später bei seinem Kunden für seine Verspätung entschuldigt und den Grund dafür erklärt, lacht dieser und erzählt, dass der Bonus der Busfahrer davon abhängt, ob sie ihre Destinationen gemäss Zeitplan erreichen oder nicht. Dieses Anreizsystem führt dazu, dass der eigentliche Unternehmenszweck, Passagiere verlässlich von einem Ort an den anderen zu befördern, nicht erfüllt wird. Das Transportunternehmen fragt sich dem Anschein nach nicht „Wie können wir so viele Passagiere als möglich auch während des Berufsverkehrs verlässlich und pünktlich an ihr Ziel befördern?“ sondern „Wie können wir die Gewinne maximieren durch die richtigen Anreizsysteme?“.

Anreizsysteme – ausgiebig und intensiv diskutiert

Alternative Lösungen zu den veralteten Anreizsystemen stehen den Unternehmen bereits seit fast 40 Jahren zur Verfügung. Nur hat sich das Denken seit dem Taylorismus bei einem Teil des Managements noch nicht verändert. Das ihm innwohnende negative Menschenbild, welches impliziert, dass Mitarbeiter eher arbeitsscheu, eigennützig und durch finanzielle Anreize motiviert sind und kontrolliert werden müssen, ist trotz veränderten Unternehmensleitbildern noch weit verbreitet.

Wie sieht diese Lösung konkret aus?

In der Führungsphilosophie spricht man vom sogenannten positiven Menschenbild. Es geht im Gegensatz zum negativen davon aus, dass Menschen von innen heraus, intrinsisch motiviert sind, gute Arbeit zu leisten. Sie streben nach Selbstverwirklichung, zeigen eine hohe Leistungsbereitschaft und übernehmen Verantwortung. Schafft ein Unternehmen die richtigen Rahmenbedingungen und vermeidet es Demotivationsfaktoren von aussen, verstärkt es die Wirkung von Eigeninitiative, Kreativität und Leistung.

Der Wirtschaftswissenschaftler Bruno Frey, der als Pionier der Glücksforschung und Kulturökonomik gilt, geht gar noch einen Schritt weiter und schlägt eine fixe Besoldung statt einer leistungsorientierten vor. Er warnt davor, dass die intrinsische Motivation verdrängt wird durch fehlleitende, von aussen gesteuerte Faktoren.

Verschiedenste empirische Untersuchungen der zurückliegenden Jahrzehnte zeigen auf, dass die Produktivität der Mitarbeiter höher ist, wenn sie nicht mit einer besonderen finanziellen Belohnung für ihre Leistungen rechnen. Anreize von aussen wie Bonussysteme oder variable Lohnbestandteile verfehlen die gewünschte Wirkung. Ich habe beobachtet, dass viele Mitarbeiter dazu übergehen, sich darauf zu fokussieren, die Ziele, die ihnen das Bonussystem oder der variable Lohnbestandteil vorgeben, positiv zu beeinflussen. Sie vernachlässigen dadurch ihre eigentlichen Aufgaben. Dies jedoch führt zu sinkender Produktivität und damit zu Zusatzkosten für die Unternehmen.

In den wenigsten Fällen entwickeln sich die Geschäfte linear, es müssen Entscheidungen getroffen werden im Sinne der Unternehmung. Und diese Entscheidungen können auch dazu führen, dass die jährlichen Ziele aus den Mitarbeitergesprächen nicht eingehalten werden können. Nun stellt sich die Frage, worauf das Schwergewicht zu legen ist. Denn ist es nicht auch demotivierend, dass trotz dieser Tatsache an den gesetzten Zielen festgehalten wird? Mitarbeiter sehen sich immer mehr einem Zielkonflikt ausgesetzt. Was ist wichtiger: eine gute Arbeit zu leisten, sich für die Unternehmung einzusetzen oder die vom Vorgesetzten festgelegten Ziele aus dem Mitarbeitergespräch einzuhalten?

Aufkommende Sinnkrise bei Mitarbeitern und im Management von Unternehmen

Was sind die Gründe dafür? Einerseits sicherlich aus den oben genannten Gründen. Andererseits haben sowohl die Mitarbeiter als auch Manager Vorgesetzte. In Leadership-Seminaren wird seit Jahren gelehrt, dass ein mitarbeiterorientierter Führungsstil eher zu den gewünschten Resultaten führt als der autoritäre Stil eines Micromanagers.

Überspitzt ausgedrückt, besteht die Führungsaufgabe nicht im Administrieren und Kontrollieren der Mitarbeiter sondern in deren Förderung, im Coaching und in einer offenen Feedback-Kultur. Und dies im Sinne der langfristigen Unternehmensziele.

Es lohnt sich, für jeden seiner Mitarbeiter eine halbe Stunde pro Woche zu investieren, in sogenannte „One-On-Ones“, “Jour-Fix” oder “Bilas”. In dieser Zeit kann der Vorgesetzte einerseits seine Mitarbeiter coachen, ihnen Anerkennung für ihre Leistungen aussprechen und die geplanten und erreichten Resultate überprüfen. Andererseits kann er ihnen auch zeitnah und offen positives oder korrigierendes Feedback zu ihren Leistungen und ihrem Verhalten geben. So erhält jeder einzelne Mitarbeiter die Chance, sein Verhalten relativ schnell anzupassen. Dieses Vorgehen ist nicht nur motivierend für die Mitarbeiter sondern auch im Interesse der Unternehmung. Bei einem lediglich jährlich stattfindenden Mitarbeitergespräch ist dies nicht möglich.

Ich habe vor einiger Zeit in einer Studie des Schweizer Beratungsunternehmens FehrAdvice & Partners gelesen, dass ein durchschnittlicher Vorgesetzter durch das Vermitteln von Erfahrungen und Fähigkeiten ca. 1.75 Mal den Output eines normalen Mitarbeiters ins Team einbringen und damit sein Mehr an Lohn erwirtschaften kann.

Das Freisetzen der Potentiale der Mitarbeiter ist ein weiterer, wichtiger Erfolgsfaktor. Jeder Mensch hat ein individuelles Profil und sollte gemäss seinen Stärken und Fähigkeiten eingesetzt und gefördert werden, was leider immer noch zu wenig geschieht. Schwächen werden kritisiert und deren Bearbeitung gefordert, was im optimalsten Fall nur eine Entwicklung hin zum Mittelmass nach sich zieht. Dies ist verschwendete Energie und demotivierend. Jeder Mensch macht gern, in was er gut ist und sollte sich eher darauf fokussieren, seine Stärken weiter auszubauen. Dadurch gewinnt er an Selbstbewusstsein, seine Motivation steigt, weitere Verantwortung zu übernehmen und sein Potential auszuschöpfen – auch zum Gewinn der Unternehmung.

Alles, was ich hier sage, sind keine neuen Erkenntnisse. Sie werden jedoch in den Unternehmen und Organisationen noch nicht flächendeckend gelebt. Aus diesem Grund ist es wichtig, sie immer wieder in Erinnerung zu rufen als ein Teil einer bereits bestehenden Lösung mit den Herausforderungen der heutigen Zeit umzugehen.

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Die Beste Partei: “Mehr Punk, weniger Hölle!”

Die Beste Partei: “Mehr Punk, weniger Hölle!”

Erfolgsbilanz der Amateure um Jon Gnarr nach 4 Jahren Regierungsverantwortung in der Hauptstadt Islands wie der Tagesanzeiger berichtet. Und eine etwas andere Art von Public Relations in der Parteienwelt.

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Jan Weilers Kolumne “Mein Leben als Mensch”

Jan Weilers Kolumne “Mein Leben als Mensch”

Die “Welt am Sonntag” ist nicht nur eine lohnenswerte Lektüre, um neben anderen Zeitungen und Magazinen eine differenzierte Sicht auf die Dinge zu erhalten. Sie beinhaltet auch mit Humor gespickte Beiträge wie die Kolumne von Jan Weiler “Mein Leben als Mensch”. Das Sonntagsblatt kann in der Schweiz entweder vorbestellt am k kiosk oder im Rahmen eines Online-Abonnements bezogen werden. Die Kolumne von Jan Weiler erscheint übrigens auch im Stern. Oder etwas verspätet können seine Beiträge auch auf seiner Website nachgelesen werden.

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