“Okay, lass uns spielen. Zuerst musst du dir die Zukunft vorstellen. Die gute Zukunft. Keine Atombomben. Stell dir vor, du bist ein Science-Fiction-Autor.”
Okay: “Weltregierung … Krebs ist besiegt … Hoverboards.”
“Geh weiter. Wie sieht die gute Zukunft danach aus?”
“Raumschiffe. Parties auf dem Mars.”
“Noch weiter.”
“Star Trek. Teleportation. Jeder geht, wohin er will.”
“Noch weiter.”
Ich überlege einen Moment und erkenne dann: “Kann ich nicht.”
Kat schüttelt den Kopf. “Es ist total schwer. Und das sind, was, tausend Jahre? Was kommt danach? Was könnte danach überhaupt noch kommen? Es übersteigt die Fantasie. Wir können uns wahrscheinlich nur Dinge vorstellen, die auf dem basieren, was wir schon wissen, und für das einunddreissigste Jahrhundert haben wir keine Analogien mehr parat.” (Auszug aus Robin Sloan: “Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra”)
Plusquamperfekt, Präteritum und Präsens
Gehen wir einen kurzen Schritt zurück. Wie sieht unsere Entwicklung als Homo sapiens bis anhin aus? Eine Frage, die auf vielfältige Weise beantwortet werden kann.
Wir könnten uns an den Erfindungen und den Technologien orientieren, die unser Leben über die Jahrtausende bestimmt haben: die Beherrschung des Feuers, die Entwicklung des Rads, von Segelbooten oder Nadeln bis hin zur Antibabypille und dem Internet.
Oder wir könnten unsere Entwicklung bewerten anhand der Art und Weise, wie wir zusammenleben als Menschen untereinander, wie wir mit den anderen Tieren, der Umwelt oder den Ressourcen auf unserem Planeten interagieren und umgehen. Über den Frieden auf der Welt, über Staats- und Rechtssysteme, über unsere Entfaltung als soziales und menschliches Wesen.
Dr. Yuval Noah Harari zieht in “Eine kurze Geschichte der Menschheit” eine weitere Sichtweise in Betracht. Er spricht von der kognitiven Revolution (vor 70’000 Jahren), der Ackerbau-Revolution (vor 12’000 Jahren) und der wissenschaftlichen Revolution (vor 500 Jahren). Er sagt, dass wir als Menschen den Planeten Erde beherrschen, weil wir das einzige Tier sind, dass an Dinge glaubt, die einzig in unserer eigenen Vorstellung existieren, wie Götter, Staaten oder Geld. Harari stellt fest, dass Geld das einzige ist, dem wir wirklich vertrauen. Weizen hat den Menschen domestiziert und nicht umgekehrt. Kapitalismus ist seiner Meinung nach eher eine Religion als eine Wirtschaftstheorie, die erfolgreichste Religion bis dato. Und er sagt auch, dass wir heute zwar über mehr Macht als unsere Vorfahren verfügen, aber nicht glücklicher sind.
Plantons Höhlengleichnis und Mathematik – Präsens
Das Höhlengleichnis beschreibt aus philosophischer Sicht die Bildung und Unbildung des Menschen und stellt diese bildlich so dar: In einer unterirdischen Höhle mit Ein- und Ausgang gibt es eine lange Mauer. Hinter dieser Mauer leben Menschen – angekettet seit ihrer Kindheit – , die ihren Blick lediglich nach vorn an die Höhlenwand richten können. Sie kennen die eigentliche Welt um sie herum nicht: die Gegenstände auf der Mauer, die Menschen, die sich hinter der Mauer bewegen, den Ausgang aus der Höhle und die Welt, die sich ausserhalb der Höhle befindet. Diese angeketteten Menschen sehen ausschliesslich die Schattenbilder, die sich durch Feuer in der Höhle auf ihre Wand projizieren.
Diese Schattenbilder, das Echo der Stimmen der anderen Menschen und die Bewegungen stellen für die Angeketteten ihre gesamte Wirklichkeit dar, die sie als Wahrheit betrachten. Aus den von ihnen über ihre Sinne wahrnehmbaren Phänomenen leiten sie ihre Wissenschaften ab und versuchen, Gesetzmässigkeiten festzustellen.
Ich behaupte, dass wir diese angeketteten Menschen sind und in einer eingeschränkten Realität leben. Wir haben aus dieser begrenzten Sicht ein System geschaffen wie die Mathematik, auf der all unsere Wissenschaften aufbauen.
Phänomene, die wir mit diesen begrenzten Wissenschaften nicht messen und erklären können, werden von den meisten Wissenschaftlern als nicht existent deklariert. Intuitive Impulse des Menschen werden durch Ratio unterdrückt.
Stellt ein Wissenschaftler ein Versuchskonzept auf, nimmt er automatisch Einfluss auf dessen Ergebnis. Wir arbeiten in Denkmustern, über dessen Grenzen es uns unheimlich schwer fällt, hinauszugehen.
Unsere Wissenschaften, unsere Wirtschaft, unsere Systeme arbeiten mehrheitlich mit dem Konzept linearer Entwicklung gegenüber einer immer komplexer werdenden Welt mit unvorhersehbarem Verhalten.
Um uns in grösseren Dimensionen weiterzuentwickeln, ist es unsere Aufgabe, uns von unserem althergebrachten Denken zu befreien, die Ketten abzulegen und die Welt ausserhalb der Höhle zu entdecken. Dies klingt doch wie eine gute, ideologische Kampfparole, nicht?
Menschen werden Götter – Zukunft f(x)
Ich komme zurück auf Dr. Yuval Noah Harari. Für unsere Zukunft sagt er voraus, dass wir als Menschen bald verschwinden werden. Mithilfe von neuen Technologien werden wir selbst als vollkommen andere Wesen aufsteigen, die Gott-gleiche Merkmale und Möglichkeiten geniessen werden. “History began when humans invented gods – and will end when humans become gods.”
Nehmen wir diese seine Vorstellung einmal auf. Wir leben heute in einem Körper, der gewartet werden muss. Wir müssen ihm Energie zuführen (essen, trinken), ihn pflegen (waschen, cremen, rasieren, Nägel schneiden), ihn schützen (warme Kleidung, Sonnencreme), ihm Erholung zukommen lassen (schlafen) und ihn reproduzieren (Erhalt der Menschheit durch Fortpflanzung und Grossziehen). Was für ein Zeitaufwand. Ausserdem ist dieser Körper äusserst anfällig (Krankheiten) und hat eine begrenzte Lebensdauer.
… wir leben heute in einem Körper: unsere Seele, unser Geist und unser Bewusstsein ist an Materie gebunden. Seele, Geist, Bewusstsein sind Begriffe, die wir zwar ständig benutzen, über dessen Definition jedoch keine Einigkeit besteht:
Die Vorstellung einer Seele ist religiös und philosophisch motiviert, ein immaterielles Prinzip und vom Körper unabhängig. Der Geist ist wiederum Bestandteil religiösen Denkens (nicht an den Körper gebunden, von Gott geschaffen oder ihm wesensgleich) aber auch von naturwissenschaftlichem Belang (neuronale Aktivitäten wie Denken und Entscheiden). Das Bewusstsein wird in den Naturwissenschaften, der Philosophie und Psychologie behandelt in Form von Bewusstseinszuständen (Schlaf, Bewusstlosigkeit), Gedanken, dem Erinnern und Planen, kann aber nicht erklärt werden, weil es nicht materiell sei.
Der Einfachheit halber treffe ich die Annahme, dass Seele/Geist/Bewusstsein (S/G/B) über eine grosse gemeinsame Schnittstelle verfügen oder ein und dasselbe sind. Wenn S/G/B nicht materiell ist und nicht an einen Körper, also an Materie gebunden ist, könnten wir S/G/B dann nicht einfach von unserem Körper lösen und in die uns umgebende Energie fliessen lassen? Würden wir damit nicht automatisch den Wartungsaufwand, die Anfälligkeit und Sterblichkeit unseres materiellen Körpers überwinden und den damit entstehenden Freiraum für unsere Weiterentwicklung nutzen können? Gewagte These.
Ich habe sie mit einer guten Freundin und langjährigen Physikerin am CERN diskutiert, mit der man wunderbar stundenlange wissenschaftliche und philosophische Gespräche führen kann und dabei das Gefühl hat, sich ausserhalb der Höhle zu bewegen.
Trotz unserem beschränkten Höhlendenken denken wir zu wissen, dass besagte gewagte These theoretisch möglich ist. In elektromagnetischen Feldern benötigt Energie keine Materie, um zu fliessen. Sollte S/G/B über eine eigene Masse verfügen, könnte diese auch in andere Formen von Energie umgewandelt werden. Wunderbar.
Der Planet Erde, Pflanzen, Tiere, Flüsse, Meere, die Ozonschicht wäre vom Tier Mensch befreit. Und für den Homo navitas (navitas (lat.) = Energie) und ehemaligen Homo sapiens ergäben sich undenkbare Möglichkeiten der Entwicklung auf geistiger (seelischer, Bewusstseins-) Ebene.
Ein Schritt nach dem anderen – Zukunft I
Doch was passiert auf dem Weg dahin? Was sind unsere nächsten Schritte hin zur von Dr. Harari vorausgesagten Göttlichkeit?
Ein bedingungsloses Grundeinkommen, eine Weltregierung, Weltfrieden, die Abschaffung von Atombomben, der Sieg über den Krebs, Hoverboards, Raumschiffe oder Parties auf dem Mars (nicht gezwungenermassen in dieser Reihenfolge)?
Was denken Sie, wie unser Dasein in 1000, 10000 oder 30000 Jahren aussehen könnte?